10/12/2019

Ein Moment der Freude


Ein Taxifahrer aus New York schreibt: Ich wurde zu einer Adresse bestellt, wo ich einen Fahrgast abholen sollte. Als ich ankam hupte ich laut. Nach ein paar Minuten Wartezeit hupte ich erneut. Da es die letzte Fahrt meiner Schicht war, wollte ich bereits wegfahren, es dauerte mir zu lange. Aber stattdessen parkte ich das Auto, ging zur Tür und klopfte.
"Nur eine Minute", antwortete eine gebrechliche, ältere Stimme. Ich konnte hören, wie etwas mühsam über den Boden gezogen wurde. Nach einer langen Pause öffnete sich die Tür. Eine kleine Frau von geschätzten 90 Jahren stand vor mir. Sie trug ein Kleid und einen Hut und einem Schleier, wie jemand aus einem 40er Jahre-Film. An ihrer Seite stand ein kleiner Koffer. Die Wohnung sah leer aus, als hätte dort seit Jahren niemand gelebt. Alle Möbel waren mit Tüchern bedeckt. Es gab keine Bilder an den Wänden, alle Schränke waren leer. Es gab nicht einmal Geschirr in der Küche. In einer Ecke war ein Umzugskarton voller Fotos und Glaswaren.
"Würden Sie meinen Koffer zum Auto tragen?" bat sie mich. Ich nickte und trug den Koffer zum Taxi und legte ihn in den Kofferraum. Dann kehrte ich zurück, um die Frau bei ihrem Weg zum Taxi zu unterstützen. Sie nahm meinen Arm und wir gingen langsam zum Taxi. Sie dankte mir für meine Güte. 
"Kein Problem", sagte ich. "Ich versuche Sie nur genauso zu behandeln, wie ich es wollen würde, daß meine Mutter so behandelt wird."
"Oh, du bist so ein guter Junge", sagte sie. Als wir im Taxi saßen, gab sie mir eine Adresse und fragte: "Können Sie mich durch die Innenstadt fahren?"
"Es ist nicht der kürzeste Weg", antwortete ich und sah in den Rückspiegel.
"Oh, das macht nichts", sagte sie. "Ich habe es nicht eilig. Ich bin auf dem Weg zu einer Sterbeklinik..."
Ich schaute erneut in den Rückspiegel. Ihre Augen waren glänzend mit einem Hauch von Tränenflüssigkeit darin.
"Ich habe keine Familie", fuhr sie fort mit einer weicher Stimme. "Der Arzt sagt, ich habe nicht mehr sehr lange.” 
Als ich das gehört habe, da musste ich einfach das Taxameter abschalten: "Welche Route soll ich nehmen?"
Für die nächsten zwei Stunden fuhren wir durch die Stadt. Sie zeigte mir das Gebäude, wo sie einmal als Aufzugswärterin gearbeitet hatte. Wir fuhren durch das Viertel, wo sie und ihr Ehemann als Ehepaar lebten, an einem Möbellager, der einst ein Ballsaal gewesen war, wo sie als junges Mädchen tanzen ging. Manchmal bat sie mich langsam an einem bestimmtem Gebäude oder einer Ecke zu fahren. Sie starrte in die Dunkelheit und sagte aber nichts.
Als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erschienen, sagte sie: "Ich bin müde. Es ist Zeit." 
Wir fuhren stillschweigend zu der Adresse, die sie mir gegeben hatte. Es war ein niedriges Gebäude, wie ein kleines Erholungsheim mit einer Einfahrt. Zwei Pflegekräfte kamen zum Taxi. Sie waren besorgt und beobachteten jede Bewegung der alten Dame. Sie müssen sie erwartet haben. Ich öffnete den Kofferraum und nahm den kleinen Koffer heraus und stellte ihn vor die Tür. Die Frau saß bereits im Rollstuhl.
"Wieviel schulde ich Ihnen?" 
Die alte Dame bat die Pflegekräfte, ihr ihren Geldbeutel zu reichen.
"Nichts", antwortete ich wahrheitsgemäß.
"Aber Sie müssen doch ihren Lebensunterhalt verdienen", entrüstete sich die alte Frau.
"Es gibt auch andere Passagiere", erwiderte ich.
Ohne nachzudenken, beugte ich mich zu ihr hinab und umarmte sie. Sie drückte mich fest an sich heran.
"Sie haben einer alten Frau einen kleinen Moment der Freude geschenkt," sagte sie. "Danke."
Ich drückte ihre Hand und ging dann zurück zum Taxi. Hinter mir schloss sich eine Tür. Dieses Geräusch kam mir vor wie das Abschließen eines Lebens. Meine nächste Schicht hätte jetzt beginnen müssen, doch ich holte keine weiteren Passagiere mehr und fuhr ziellos in Gedanken versunken durch die Gegend. Für den Rest des Tages konnte ich kaum sprechen. Was wäre passiert, wenn ich mich geweigert hätte, diese Fahrt zu machen oder nach dem ich gehupt habe, einfach weggefahren wäre? Rückblickend glaube ich nicht, daß ich je etwas Wichtigeres in meinem Leben getan hätte.

Der Facebook-User Helmut Bauer, der diese Geschichte eingestellt hat, schreibt dazu: "Liebe Freunde, was wäre passiert, wenn die alte Dame einen unfreundlichen und ungeduldigen Fahrer bekommen hätte? Diese Geschichte zeigt eindrucksvoll, daß es auch wichtig ist, auf andere Menschen zuzugehen, um sich selbst ein Stück näher zu kommen. Wir glauben, daß unser Leben aus großen Dingen besteht. Dabei sind es meistens die kleinen Dinge, die wirklich wichtig sind. Wenn wir ab und zu mal unseren Autopilot abschalten würden und offen für Neues sind, dann können wir inspirierende Momente erleben, wie dieser Taxifahrer. Also nehmt euch die Zeit für die kleinen Aufmerksamkeiten, Zeit für Menschlichkeit und Liebe. Denn am Ende sind es genau die Momente, die wirklich zählen! 
Mit diesen Gedanken wünsche ich euch eine besondere Zeit und wenn du diese Geschichte nicht teilst, wird auch nichts passieren. Wenn Du sie jedoch teilst, dann kannst du damit vielleicht anderen Menschen die Augen für das Wesentliche öffnen. Viele Menschen bemerken es viel zu spät, nur können sie dann die Zeit nicht mehr zurückdrehen."

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