Neulich konnte man in einem Magazin die freudige Nachricht lesen: Die Revolution in der Medizin - 63jährige stolze Mutter eines Jungen geworden. Mutter und Kind sind wohlauf! - Wie lange noch? Ist das tatsächlich die Revolution der Medizin, der Sieg über die Natur?
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Gehen wir einmal zurück in der Zeitskala, z.B. einer Frau um die zwanzig. Kinder? Nein, viel zu jung, um daran zu denken. Man hat ja noch alles vor sich: Beruf, Liebe, Reisen und Freunde. Der richtige Mann ist noch nicht da, und wenn es ihn bereits geben sollte, will man seine wilden Jahre schließlich noch in vollen Zügen auskosten - gut, der eigenen Verwirklichung zu frönen, seine Erfahrungen zu machen, man hat ja noch Zeit.
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Mit dreißig hat man dann Zeit, die große Unabhängigkeit zu genießen. Man ist jung und erfolgreich, unabhängig, verliebt, aber nicht gebunden - mithin voll im Trend, ganz ohne störende Bindungen.
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Mit vierzig fühlt man sich noch jung, beginnt aber nach Cremes, Masken und Ampullen für eine jugendliche Haut zu greifen, alles natürlich zu sündhaften Preisen. Man gönnt sich ja sonst nichts! Daß man sich nicht mehr zu den ganz Jungen zählen kann, ist einem klar - aber man gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Man macht sich jetzt häufiger Gedanken über sein Äußeres, kauft hier und da ein teures Kleidungsstück, sei es ein Pulli, ein elegantes Kostüm oder eine auffällige Tasche. Der Freund oder der Partner von damals existiert in unserem Leben nicht mehr - um ihn ist es nicht schade, er wollte Familie und Kinder (die er mit einer anderen Frau hat), man selbst wollte die eigene Karriere nicht auf dem Altar des Familienglücks opfern. Was bleibt, ist die echte Freiheit, finanziell unabhängig - und ohne Mann. Die Einsamkeit wird verdrängt, kurze Affären sind gelegentliche Trostpflaster für die Seele. Man wirft sich ins Geschäft, bleibt weiterhin erfolgreich und macht Ferien auf den Malediven. Egoismus? Warum nicht, letztendlich ist man doch allein.
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Der fünfzigste Geburtstag naht. War das schon alles? Die biologische Uhr tickt leise, ohne daß es einem bewusst wurde. Es ist soweit: Die Jugend ist endgültig vorbei. Hatte man nicht bei alledem etwas Wichtiges vergessen? Beim Spaziergang schaut man jetzt immer häufiger spielenden Kindern zu. Wehmütig muß man bekennen: Ich werde niemals Kinder haben! Plötzlich steht der Entschluss fest: Es ist noch nicht zu spät, noch habe ich die Gelegenheit, in Kinderaugen zu sehen, mein Leben weiterzugeben!. Es keimt der Wunsch nach einem Kind. Jetzt sofort und ohne Mann? Samenbanken bieten - wie im Supermarkt - eine Großauswahl an unterschiedlichen Merkmalen an: man sucht Intellekt, Größe, Augen und Haarfarbe einfach aus. Eine Adoption kommt gar nicht in Frage, es muss schon etwas von einem selbst sein; man will die Highlights einer Mutter erleben: Schwangerschaft, Stillen, die ersten Worte, die ersten Schritte...
Lange dauerten die Prozeduren, die Hormonbehandlungen, bevor der Arzt den positiven Befund diagnostizierte: Das Wunschkind ist unterwegs - inzwischen zählt man 57 Jahre. Man ist noch jung, fühlt sich vital. Man ist sportlich und fühlt sich der Aufgabe durchaus gewachsen, das Kind alleine großzuziehen.
Rechnen wir hoch: mit 56 Jahren schwanger - immer mit der Angst im Nacken, vielleicht ein nicht gesundes, behindertes Kind zur Welt zu bringen; mit 57 Jahren Mutter; aufs Stillen verzichtet man der Figur wegen lieber, man möchte ja noch ein paar Jahre attraktiv bleiben. Hat man die 60 erreicht, kommt das Kind in den Kindergarten, am 77. Geburtstag der Mutter macht es vielleicht Abitur; erlebt die Mutter das 80. Lebensjahr, studiert das Kind gerade oder befindet sich in der Ausbildung.
60
70
80
90
Ist es nicht schön, eine reife und erfahrene Mutter zu haben? Von Egoismus keine Spur, das ist echtes wahres Mutterglück!